Unser Review der photopia

 
Montag, 25.09.2023

Erfrischend war es! Es wuselte, blitzte, Augen wurden aufgerissen auf der dritten und bislang anscheinend erfolgreichsten Photopia in Hamburg. Die insgesamt 20.000 Menschen konnten alles mitnehmen – die Messehallen waren nie zu leer, nie zu voll.

Wie die letzten Male gab es einen abgetrennten Konferenz-Bereich, der sich auch dieses Mal richtig gelohnt hatte. Das Highlight war der zweite Tag. Nicht wegen des Themas. Den großen Elefanten im Raum muss niemand mehr erraten. Man könnte denken: Och nö, muss jetzt auch die wichtigste Foto-Messe in Deutschland über KI reden? Wollen wir nicht mal wieder über Fotografie…?

Nein, man spürte förmlich, dass sich die Foto-Szene über eine Technik austauschen wollte, die von Laien komplett überschätzt und fehl-interpretiert wird.

Vom Promptografen zum AI-Whisperer

Was herrlich zu beobachten war: Der unglaubliche Abstand zwischen Kunst und Kommerz. Hier mit Boris Eldagsen ein (Foto-) Künstler, der sein Thema klar im Kopf hat. KI nimmt er, spielt mit den Ergebnissen, kombiniert, verändert, lädt weitere Motive hinzu – reizt die Maschine aus, bis er mit Inpainting alles finalisiert und dann in die Postproduction geht. Bis zu 600 Schritte stecken in seinen Bildern. Wir empfehlen einen Blick in seine dritte Ausgabe der Reihe Pseudomnesia. Seine anderen KI-Serien sind eher etwas für Hartgesottene…

Sich nun als AI-Whisperer zu betiteln ist da auf eine künstlerische Weise logisch. In seinem Vortrag ging er dann auch näher darauf ein, dass die aktuelle Aussage „KI-Bilder sind keine Kunstwerke, weil die Maschine etwas schafft und nicht der Mensch“ auch relativiert werden kann. Nutzen wir KI als ein weiteres Werkzeug oder lassen wir die Maschinen zaubern?

In der Fotografie gibt es ja diese Abgrenzung schon: Das LichtbildWERK ist das Kunstwerk und alle nicht-künstlerischen Fotos – sei es das Pressefoto, Dokumentation oder der Handy-Knips – sind als Lichtbilder fast ebenso geschützt wie das Kunstwerk – mit den beiden Unterschieden, dass das „banale“ Bild auch von anderen genauso fotografiert werden darf und die Schutzfristen bereits 50 Jahre nach Erscheinen des Bildes erlöschen.

Irgendwann werden die Juristen auch eine ähnliche Linie finden für Bilder, die von der KI, mit KI oder mit vielen anderen Tools erzeugt oder kombiniert, oder oder oder. Am Ende ist es die Kreativität des Künstlers, die zählt.

Adobe: KI in der Praxis

Nach Boris Eldagsen zeigte Adobe, wie lang sie bereits mit KI arbeitet. Sieben Jahre schon. Wir alle wissen das. Wenn wir in PhotoShop oder Lightroom manche Tools nutzen, dann hilft uns die KI namens Sensei. Was jetzt gerade von vielen getestet wird – mit Generative Fill und mit dem Erzeugen von Bildern – ist aber die KI Firefly. Getrennte Systeme und ganz klar: Sensei ist erwachsen, Firefly lernt erst noch laufen.

Natürlich wurde auch über die Shutterstock AI gesprochen. Und dass Getty diese Woche seine eigene KI präsentiert, schallte es von manchen Wänden (siehe dazu das Interview der Wirtschaftswoche mit Craig Peters, CEO von Getty Images). Was Adobe, Shutterstock und Getty Images zumindest bieten: eine rechtlich sicherere Nutzung als bei Midjourney. 

Viel spannender als die Juristerei und die Historie der KI bei Adobe fand ich persönlich aber den Einblick, den uns Robert Kneschke in seine Produktion der KI-Bilder gab. Ich hatte mich ja vor kurzem auf LinkedIn darüber beschwert, dass unter den 16 Mio. KI-Bildern auf AdobeStock auch Bilder zu finden sind, auch der nachgestellte Ground Zero und Erdbeben-Bilder schlummern, die leicht „für wahr“ genommen werden können. So etwas macht Robert Kneschke nicht.

Er zieht einen professionellen Workflow auf: ChatGPT liest die Anforderungsliste von Bildagenturen und schreibt Motivvorschläge, Bildideen als Prompt für Midjourney. Dort werden die Bilder generiert, exportiert, vergrößert und am Ende schaut jemand und wählt aus. Natürlich verschlagwortet auch die KI.

So geht´s auch.

KI in der Praxis zeigt übrigens auch Jung von Matt. Für ihre Kunden wurde anhand eines tatsächlichen Beispiels ein Kreis gezogen von der Sichtbarkeit innerhalb von Midjourney (Welche Marke erscheint, wenn ich einen Schuh, ein Auto prompte? Meine?) zum Aufbau einer agentur-eigenen Stable-Diffusion Installation, die für Kunden-Wünsche optimiert wird bis zu einer Maschine, mit der die Konsumenten sich ihr Produkt in ihrer Welt prompten und posten können.

Fazit: Bedroht KI die Fotografie? Ein klares: NEIN!

Die Bilder, die die Jung von Matt KI erzeugt – genauso wie das, was die Hamburger Design-Agentur Mutabor gerade gelauncht hat, kann weder Realität generieren noch Bildgrößen für den Druck von Plakaten erzeugen. KI ist derzeit sexy aber noch zu jung. Es gibt viele Tools, die mit KI arbeiten. Menschen gestalten Bilder und entscheiden. Ob mit KI oder Kreide.

Auf der Podiumsdiskussion zu Chancen und Risiken der KI, auf dem ich neben Vertretern von Leica, cewe color, des BFF und der spannenden Software-Schmiede rund um das Produkt Excire und Adobe sprechen durfte/musste wurde klar gezogen: Fotografen können KI nutzen, aber KI kann Fotografen nur dort in Konkurrenz treten, wo Bilder klein und unrealistisch sind.

KI kann viel. Analysieren, automatisieren, verändern, mitdenken und dabei auch gestalten. Aber KI kann nicht fotografieren.

Viele Tools haben wir gesichtet. Automatisierte Verschlagwortung und Anpassung von Bildern an Ihren Stil sind die Themen, die wir für Sie gern einmal testen möchten. Wir waren ja für unsere Kunden auf der Messe. Lassen Sie uns also schauen, was wir zusammen davon mitnehmen können!

PS: Das war nur der zweite Tag. Die Tage 1 und 3 drehten sich um das Foto-Business, am vierten Tag zeigten tolle Fotografen ihre Arbeiten. Auch spannend, aber für Sie, unsere Kunden, nicht viel Neues. Und mein Schreibmaschinenpapier geht zur Neige...

Fotos: Hamburg Messe und Congress; Header: Rolf Opitzka; Bild 2: Rene Zieger

Veröffentlicht am Montag, 25.09.2023 19:09
Kategorien: Thema des Monats Fotografie Künstliche Intelligenz Foto-Business

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