Neu im deutschen Gesetz: der Pastiche

 
Montag, 23.05.2022

Eine Karikatur? Kennt man. Eine Parodie? Klar. Seit der Einführung des neuen Urheberrechts aber hat ein neuer Begriff Einzug gehalten ins deutsche Recht und sorgt für eine gewisse Unsicherheit im Bildermarkt, auch bei unseren Kundinnen und Kunden. Die Rede ist vom Pastiche.

Verankert wurde der Begriff im Paragraph 51a des Urheberrechts unter „Karikatur, Parodie und Pastiche“:

„1) Zulässig ist die Vervielfältigung, die Verbreitung und die öffentliche Wiedergabe eines veröffentlichten Werkes zum Zweck der Karikatur, der Parodie und des Pastiches.

2) Die Befugnis nach Satz 1 umfasst die Nutzung einer Abbildung oder sonstigen Vervielfältigung des genutzten Werkes, auch wenn diese selbst durch ein Urheberrecht oder ein verwandtes Schutzrecht geschützt ist.“

Was aber verbirgt sich hinter dem nebulösen Begriff? Wie grenzt er sich vom Plagiat ab? Und dürfen Pastiches auch für kommerzielle Zwecke eingesetzt werden? Wir haben mit Sebastian Deubelli gesprochen, Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht.

Herr Deubelli, viele in der Branche stochern derzeit noch im Vagen, wenn es um den Begriff des Pastiche geht. Was kommt da auf den Bildermarkt zu? Ist es – überspitzt formuliert – ein gefundenes Fressen für Anwältinnen und Anwälte?

Hier verhält es sich eigentlich wie immer, wenn der Gesetzgeber neue Begriffe einführt, die noch völlig unbestimmt und auslegungsbedürftig sind. Es wird die Rechtsprechung sein, die nun auch den Begriff des Pastiche mit Leben füllen und herausarbeiten muss, in welchen Fällen aufgrund des Vorliegens eines Pastiche keine Bildlizenz gekauft werden muss. Ich verstehe gut, dass gerade Urheber*innen und Agenturen in Sorge sind. Ich kann mir aber nur schwer vorstellen, dass die Rechtsprechung daran interessiert ist, den primären Bildermarkt aufzumischen. Da es sich bei § 51a UrhG um eine Schrankenbestimmung handelt, dürfte es kein gefundenes Fressen für mich und meine Kolleg*innen handeln. Eine „Abmahnwelle“ oder ähnliches dürfte damit also wohl kaum einhergehen.

Gibt es eine klar gesetzte Grenze zwischen Pastiche und Plagiat?

Nein, überhaupt nicht. Aufgrund der Gesetzesbegründung zu § 51a UrhG und der aktuell bestehenden Kommentarliteratur dürfte allerdings von einer weiten Auslegung des Begriffs auszugehen sein, sodass ein Pastiche zwar weiterhin nur dann vorliegt, wenn eine kreative Nutzung bereits bestehender Inhalte vorliegt, das Maß an erforderlicher Kreativleistung allerdings noch von den Gerichten festgelegt werden muss. Die Grenze zwischen Plagiat und Pastiche wird demnach an der Kreativleistung gemessen werden, die aufgebracht wird, um aus einem bestehenden Werk ein neues zu machen. Allerdings steht damit jetzt schon fest, dass eine Bildnutzung eher als rechtswidriges Plagiat einzustufen sein wird, je näher sie sich an dem Original hält.

Die Frage an den BGH steht im Raum: Wird auch ein schon veröffentlichter, alter Pastiche mit dem neuen Gesetz im Nachhinein legal?

Ich gehe davon aus, dass § 51a UrhG keine Rückwirkung entfaltet und damit bereits bestehende Bildnutzungen allenfalls ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Norm „legalisiert“ werden, falls ein Pastiche vorliegt. Demnach wäre anzunehmen, dass bis zum Inkrafttreten die alte Regelung des § 24 UrhG mit der dazugehörigen Rechtsprechung anwendbar sein dürfte und der Pastiche demnach keine gänzlich rückwirkende Legitimation für alte Verwendungen darstellt.

Dürfen Pastiches grundsätzlich auch für kommerzielle Zwecke eingesetzt werden und dann auch im Bereich Social Media?

Es ist nicht absehbar, dass § 51a UrhG nur im privaten Bereich Anwendung finden wird, sondern sich damit auch und gerade auf den kommerziellen Bereich bezieht. Die Gesetzesbegründung stellt ferner ausdrücklich auf Ausdrucksformen im Social Web ab. Damit sind auch und gerade Verwendungen in sozialen Netzwerken von § 51a UrhG erfasst.

„Der Pastiche muss“, so besagt es das Urheberrecht, „eine Auseinandersetzung mit dem vorbestehenden Werk oder einem sonstigen Bezugsgegenstand erkennen lassen.“ Ein Beispiel aus der Praxis: Eine Kundin hat vor einigen Jahren ein Foto über eine Bildagentur eingekauft. Nun möchte sie es wiederverwenden. Normalerweise muss sie es neu lizenzieren lassen. Wenn sie es nun verfremdet einsetzt, vielleicht mit einer pfiffigen Idee, muss sie es nicht mehr nachlizenzieren lassen?

Wenn die Kundin es tatsächlich schafft, die Schranke des § 51a UrhG in der Gestalt eines Pastiche zu erfüllen, benötigt sie keine weitere Lizenz für die zweite Nutzung. Genau genommen würde das auch für alle anderen gelten, auch wenn sie noch überhaupt keine Bildlizenz erworben haben. In Bereichen, in denen Compliance und eine möglichst korrekte Rechteklärung oberste Priorität haben, vermute ich aber, dass man sich eher weniger auf die neue Schrankenbestimmung berufen und auch weiterhin den Erwerb von Nutzungsrechten, möglichst unmittelbar von den Urheber*innen, vorziehen wird.

Wir danken Ihnen für Ihre Zeit und Expertise, Herr Deubelli.

Und Sie, verehrte Leserinnen und Leser, halten wir selbstverständlich weiterhin auf dem Laufenden um alle Fragen und Antworten rund um die Neuigkeiten des Urheberrechts.

Autor: jk

Nachtrag 02.06.2023:

Gestern verwies der BGH das seit langem laufende Verfahren "Metall auf Metall" wieder an den EuGH, um eine genaue Definition des Begriffs Pastiche vorzulegen. Darf das "vorbildliche" Werk im neuen Werk erkennbar sein? Dieser und andere Aspekte scheinen im europäischen Recht noch nicht praxistauglich beschrieben zu sein. Siehe die Meldung von beck aktuell hier.


Veröffentlicht am Montag, 23.05.2022 12:05
Kategorien: Thema des Monats Urheberrecht Pastiche

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