Folge 8 - Die Medienlandschaft

 
Wednesday, 22.08.2018

Nachdem wir uns in dieser Reihe dem Bildermarkt und der Technik näherten, werfen wir heute einen Blick auf die Medienlandschaft. Wo werden Bilder heute gezeigt? Wir sprachen mit dem Fachverband Medienproduktion f:mp und der Deutschen Public Relations Gesellschaft (DPRG).

Zunächst aber ein kurzer Blick auf die Zeitleiste. Als wir die Bildbeschaffer starteten, mitten in der Wirtschaftskrise, wurde hauptsächlich in eine Richtung kommuniziert: Das Unternehmen warb per Drucksache – above oder below the line – und übermittelte seine Botschaft parallel online. Auch für Bildagenturen waren Online-Nutzungen eher nur der Wurmfortsatz von Print. Facebook war zwar schon in aller Munde, launchte aber erst im März 2008 seine deutsche Website. Der Like-Button folgte sogar erst im März 2009. Es begann also die Zeit, in der ein Unternehmen mittels sozialer Medien direktes Feedback von seinen Kunden bekommen konnte. Flexible, dialogbasierte und digitale Kommunikation verdrängten die kampagnenorientierte, statische Werbung: So sind seit 2008 die Werbeumsätze der Werbeträger insgesamt um 10% gesunken, und das obwohl die Online-Werbung in diesem Topf jährlich um 7% steigt. Die AWA-Reichweiten sinken konstant um 2% pro Jahr, der Anteil der Werbedrucksachen sogar noch stärker. In dem Tempo, in dem die Konsumenten ihr Verhalten wandeln – vom Papier zum Wischtelefon, vom linearen TV zum Stream –, und in dem Tempo, in dem der Normalbürger vom Nachrichten-Empfänger auch zum Sender wird – per Blog, per Kommentar, per Follower – verändert sich auch die Kommunikationsbranche.


Bild: westend61 / Kniel Synnatzschke

Rüdiger Maaß, Geschäftsführer des Fachverbands Medienproduktion, f:mp, nennt die beiden Begriffe beim Namen: Crossmedia und Omni-Channel. Wo früher eine Broschüre entwickelt wurde – vielleicht noch mit dem PDF als Online-Version – werden die Bilder, die wir heute für Sie bereitstellen, für ein Kommunikationspaket aus mehr als einem Dutzend verschiedener Kanäle produziert: gedruckt, online responsiv, im Newsletter, in Anzeigen, Advertorials und für Content-Marketing-Wege über Vertriebspartner und so weiter und so fort. Rüdiger Maaß sieht das Potenzial von Crossmedia in der automatisierten, softwaregesteuerten Medienproduktion. Für Fotos bedeutet dies, dass jedes Bild deutlich mehr genutzt wird als noch zu rein analogen Zeiten.


Vor zehn Jahren hatte kein einziger Bildbeschaffer ein Handy mit integrierter Kamera. Die Geräte von Blackberry hatten zwar eine QWERTZ-Tastatur, konnten Mails und rudimentäres Web lesen, das war´s aber auch schon. Laut einer Studie von InfoTrends Worldwide, in der Aufbereitung von mylio sollte in diesem Jahr die Zahl der im Netz gespeicherten Bilder auf über 5 Billionen steigen. Jährlich werden weit über eine Billion Bilder geschossen, 80% davon stammen aus einem Wischtelefon. Vor zehn Jahren war die Zahl von 150 Milliarden Bildern bei Flickr schon gigantisch. Der OVK sah 2008 rund zwei Drittel der Deutschen online (heute 82%) und ein Viertel der über 60-Jährigen gehörte dazu (heute 54%). Von „Mobile" wurde noch nicht einmal gesprochen, heute läuft laut Wirtschaftwoche 60% des gesamten Internetverkehrs auf dem Handy auf.


Im Web werden also nicht mehr die kleinen Bildchen gezeigt. Responsives Design ist Pflicht. Für Fotografen bedeutet das: Am besten quadratische Bilder mit Fleisch in alle Richtungen produzieren, weil Bilder oft sowohl hoch- als auch querformatig gezeigt werden sollen. Für Bildagenturen heißt es: Die alte Idee, XS-Größen zu kleinen Preisen fürs Web anzubieten, ist passé – eine Web-Lizenz unabhängig von der Dateigröße ist Pflicht, hat aber auch seinen Wert und damit seinen Preis. Wer ein Bild in ein Druck-Projekt mit hoher Auflage ziehen will, bezahlt einen Aufpreis. Online ist Standard.


Und wie sieht es im Bereich Public Relations aus? Wir sprachen mit Thomas Scharfstädt, Referent der Deutschen Public Relations Gesellschaft e.V. (DPRG):

Herr Scharfstädt, wie haben die letzten zehn Jahre die PR-Branche verändert?


Thomas Scharfstädt: Zehn Jahre Digitalentwicklung sind ja ein enormer Zeitraum. Die Digitalisierung ist rasant fortgeschritten und schreitet weiter voran. Es gibt ständig neue Kanäle, wie Instagram oder Snapchat, die rein bildbasiert sind. Facebook verliert dagegen an Bedeutung. Außerdem beobachten wir, dass viele Plattformen neu gestartet und wieder verschwunden sind. Im Sektor wird noch viel experimentiert. Heute lässt sich nicht sagen, welches das Medium der Zukunft sein wird. Klar aber ist: Das Bild gewinnt an Bedeutung. Was im Umkehrschluss nicht heißt, dass der klassische Fotograf davon profitiert. Die Lage vieler Fotografen ist ja prekär. Ein anderer Trend, den wir beobachten: PR-Schaffende produzieren und bespielen überwiegend eigene Kanäle und bedienen sich dazu weniger der klassischen Medien. Die klassische Pressemitteilung hat trotz aller Unkenrufe aber weiterhin Bedeutung.


Ist man heute neben dem Verfassen von Pressemitteilungen dazu gezwungen, auch andere Kanäle zu bedienen?


Das hängt vom Thema und der Zielgruppe ab. Im Bereich der „Fast Moving Consumer Goods", also von Konsumgütern für netzaffine Gruppen, müssen Sie alle Kanäle nutzen. Viele Unternehmen haben in den letzten Jahren Newsroom-ähnliche Abteilungen aufgebaut um genau das leisten zu können.


Da sind wir ja schon beim Thema Content Marketing. Es ist nicht mehr die einzelne Pressemitteilung, sondern es geht in die größere Runde – Stichwort: Code of Conduct


Mit dem Code of Conduct haben die Werbeagenturen und Vermarkter eine Selbstverpflichtung geschaffen. Sie verpflichten sich werblichen Content kenntlich zu machen, um für Transparenz zu sorgen. Das ist spät, aber hoffentlich nicht zu spät erfolgt. Für die PR gibt es diese Grundsätze ja schon seit Jahrzehnten – ich verweise nur auf den Deutschen Kommunikationskodex und den europäischen Kodex für ein professionelles Verhalten in der Öffentlichkeitsarbeit, „Code de Lisbonne". Die neuen Medien und Kanäle zeigen, wie wichtig heute solche Verpflichtungen sind.


Hinzu kommt, dass viele sich nicht mehr in den klassischen Medien informieren. Denken wir ans Influencer-Marketing und die große Abmahnwelle, mit der einzelne Influencer zur Rechenschaft gezogen werden, wenn sie Marken zeigen, die sie nicht als Werbung kenntlich machen. Im Grunde muss jeder Influencer darauf aufpassen, welchen Ring und welche Uhr er trägt.


Ja, hier verändern sich die Rechtsprechung und die Sicht auf die Dinge radikal. Die Trennlinie zwischen Produktwerbung und PR ist sicherlich fließend. Wir haben es mit einer Personengruppe zu tun, die recht neu auf dem Markt ist, die teilweise als Teilzeit-Journalisten unterwegs sind und deren Berufsfeld in keiner Weise definiert ist. Im Prinzip werden sie wie Privatpersonen behandelt, teilweise aber auch wie Agenturen oder Werbetreibende. Da gibt es bisher noch keine verbindlichen Regelungen oder klare Aussagen, wie es zu handhaben ist. Das gilt auch, wenn sie PR machen.


In unserer Branche haben wir es ja seit etwa zwölf Jahren mit Plattformen wie Fotolia oder Shutterstock zu tun. Die Spielregeln, die eigentlich in der analogen Fotografie galten, funktionierten im Digitalen nicht mehr. Die Plattformen waren auch noch nicht so weit, dass sie die Spielregeln rund um Themen wie Urheberrecht oder Bildnutzung kannten. Da ersten Klagen kamen, die ersten Dramen passierten, die Lernkurve stieg mit jedem Fall weiter an. Nun sind es die Influencer, die mitten in der Lernkurve stecken und aus den Fallen lernen, in die sie treten. Haben PR-Agenturen und Unternehmen aus Angst vor diesen Fallen zunächst ebenfalls so restriktiv reagiert?

Ich denke, dass PR-Agenturen tatsächlich erst relativ spät in voller Breite mit Facebook und ähnlichen Medien gearbeitet haben. Was PR-Texte angeht fällt die Problematik des Bilderklaus ja weg. Unsere Texte dürfen Sie klauen, das wollen wir ja sogar. Was in Unternehmen und Beraterkreisen eher diskutiert wurde, das war die Angst davor, einen unkontrollierten Prozess zu starten, Stichwort Shitstorm. Inzwischen hatten wir genügend Zeit, um daraus zu lernen. Die Vorteile überwiegen die Nachteile, das hängt aber natürlich immer davon ab, was ich zu vermarkten habe und wie ich es tue. Das Thema ist eher: Wie kann ich das steuern, ohne dass mein Kunde einen Schaden erleidet? Aber auch auf Seiten der Kunden ist sicherlich das Bewusstsein gewachsen, dass für Online-PR besondere Spielregeln gelten.


Kommen wir zur unerlaubten Nutzung als Einnahmequelle. In der digitalen Welt wird es uns leichtgemacht, einen Screenshot von einem Bild anzufertigen und in eine Powerpoint-Präsentation einzubinden. Der Urheberschutz besagt ja, dass das Anfertigen einer Kopie genehmigungspflichtig ist. Ist Urheberrecht eigentlich Teil der Ausbildung?


Wenn Sie eine reguläre Ausbildung machen, behandeln Sie natürlich auch das Thema Recht. Wie umfangreich das Thema Recht in der Ausbildung ist, kann ich nicht sagen – dafür sind die Ausbildungsgänge zu unterschiedlich. Fachhochschulen bilden traditionell eher praxisorientiert aus. Durch Praktika erfahren die meisten jungen PR Professionals heute eine große Bandbreite. Das macht sie nicht zu Juristen – muss es auch nicht. ich denke, es weiß im Prinzip jeder, dass man nicht klauen darf. Die Frage ist eher: Woran erkenne ich, dass ein Bild nicht frei ist? Wir sind durch die DSGVO ja sehr sensibilisiert. Es gibt starke rechtliche Grenzen.


Es wurden ja sehr viele Pferde scheu gemacht. Musste die DPRG da auch stark kommunizieren?


Im klassischen Bereich des Presseverteilers war eine Menge Aufklärung erforderlich. Aber auch bei den Prozessen in der Agentur – herunter bis zum Solo-Unternehmer. Die DSGVO bedeutete für uns ja in erster Linie mehr Bürokratie und Kosten. Langfristig denke ich aber, wird sie nützen. Was haben wir davon, wenn Menschen Angst vor dem Missbrauch ihrer Daten haben müssen?


Vor 20 Jahren wurden noch Pressemappen in gedruckter Form herausgegeben, mit Prints und Waschzettel. Dann ging es los mit Disketten oder CDs. Gibt es heute noch so etwas wie Pressemappen?


Mit Sicherheit. Heute wird man es zum Download bereitstellen. Die Pressemappe ist genauso wie die Pressemitteilung nicht ausgestorben. Über ihre haptische Wirkung und Aufmachung vermitteln hochwertige Pressemappen natürlich immer noch Wertigkeit. Print wirkt nach wie vor.


Und was ist in den letzten Jahren verschwunden?


Das Fax dürfte weitgehend verschwunden sein. Es ist ehr so, dass in der Kommunikation etwas dazugekommen ist, ohne dass das andere komplett verschwunden ist.


Geht alles nur noch übers Netz? Ist das tatsächlich der Weg?


Es führt zumindest kein Weg daran vorbei. Aber wir hören ja auch immer wieder, wie wichtig das persönliche Gespräch ist und dass es an Bedeutung gewinnt. Mit der Digitalisierung hat sich das Grundrauschen ja enorm erhöht. Man wird daran arbeiten müssen, die relevanten Informationen auch an den Empfänger zu bringen. Man sieht es ja im Printmedienbereich: Hochwertige Special-Interest-Medien gewinnen.


Soweit die Eindrücke aus zwei unterschiedlichen Perspektiven. Für uns Bildbeschaffer brachte die Entwicklung der Medienlandschaft eine ganz klare Aufgabenstellung: Unsere Kunden benötigen andere Nutzungsverträge als noch vor zehn Jahren. Multi-Channel-Projekte, in denen ein Bild mehr- und mehrfach genutzt wird, sind die Reaktion auf die geringere Wahrnehmung jedes einzelnen Kanals beim User. Kommunikation trägt dicker auf als früher, um aber nur so gerade eben das gleiche Ergebnis zu erzielen. Social Media und größere Web-Bilder, Nutzung durch Händler und andere Partner, Speichern in Bilddatenbanken – die Balance zu finden zwischen der größeren Nutzung und der Preisentwicklung im gesamten Markt ist genauso unsere Aufgabe wie das Finden und Beschaffen des konkreten Bildes.


Veröffentlicht am Wednesday, 22.08.2018 13:08
Kategorien: Bildermarkt Die ersten 10 Medien

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