Folge 1 - Wir wissen wo Ihre Bilder sind
Wir befinden uns im Jahre 2008 n. Chr. In der geschäftigen Werbeagentur gegenüber ist die letzte Arbeitslampe längst gelöscht, ganz Hamburg hat sich schlafen gelegt. Ganz Hamburg? Nein! In einer kleinen Straße gegenüber der geschäftigen Werbeagentur fährt mit quietschenden Reifen ein Kleinwagen vor. Drei Vermummte steigen aus, bewaffnet mit Leiter, Papier und Kleister. Flink reißen sie in dieser nasskalten Oktobernacht ein Plakat von der großen Werbewand und bringen auf der freien Fläche große, papierne Lettern an, bis nach nur wenigen Minuten in alter Erpressermanier ein Satz an der Wand prangt:
Und klein darunter ein Hinweis:
also-keine-fisimatenten.de
Die Nacht- und Nebelaktion der Bildbeschaffer aus dem Herbst 2008
Cut. In einer weiteren Nacht- und Nebelaktion klauen dieselben Vermummten einen Postkartenständer mit den stadtbekannten Edgar-Cards aus dem obersten Stockwerk eines der neuen Hochhäuser zwischen Kiez und Elbe. Wieder hinterlassen die Täter keine Spuren – nur ein Erpresserschreiben, und das fällt erneut kurz und knackig aus:
Noch im selben Herbst verschicken die mysteriösen Unbekannten 160 Briefe: „WIR WISSEN WO IHRE BILDER SIND!" lautet es immer und immer wieder. Die Buchstaben: ausgeschnitten aus Zeitungen und Illustrierten. Die Briefe: handgeklebt. 160 Unikate. Sie gehen in mittelständischen Unternehmen ein und bei Versicherungen, in kleinen Agenturen und bei großen Hamburger Firmen. Artnapping vom Feinsten? Bilderklau im Underground-Stil? Wer und was steckt hinter der sondersamen Aktion?
Eine Woche nach Eingang des ersten Briefes folgt ein zweiter Brief:
Die Instruktionen folgten alsbald – getippt auf einer mechanischen Schreibmaschine:
Schritt 1: Vertrauen Sie uns! Bei Bildagenturen haben wir gelernt, für Werbeagenturen und Kunden haben wir geschuftet und jetzt ganz ehrlich und ohne doppelten Boden: Ihnen sparen wir Zeit und Geld.
Schritt 2: Gönnen Sie Ihren Artbuyern und Praktikanten ein Privatleben! Es ist genug Arbeit für alle da. Sie kümmern sich um Ihr Shooting und Ihre Ideen – wir machen den Rest: Recherche, Rechteklärung, Preisverhandlung, Einkauf, Abrechnung … Plötzlich ist alles erledigt. Nur eine Rechnung, und sogar Zeit gespart.
Schritt 3: Reden Sie mit Ihrem Anwalt über Golf, nicht über Bilder! Weiß die Generation flickr, ob ein Bild wirklich safe ist? Wir klären für Sie die Bildrechte, damit Sie nicht Ihrem Rechtsberater erklären müssen, was da schiefgelaufen ist.
Schritt 4: Bringen Sie Ihre Buchhaltung um den Verstand! Unsere Arbeit ist wertvoll. Den Preis zahlen aber nicht Sie, sondern die Bildagenturen. Kaum zu glauben, aber wahr.
Die Auflösung: Hinter den „drei Fragezeichen" versteckt sich das Team der Bildbeschaffer – Michaela Koch, Alexander Karst und Tina Mielenz.
Ihre Botschaft ist nun offenbart: Die Bildbeschaffer sind ein Recherche-Büro, sozusagen die externe Bildredaktion des potenziellen Kunden. „Wir wissen, wo Ihre Bilder sind – und wie wir die Bilder beschaffen. Gemeinsam haben wir das Wissen, das der Kunde nicht braucht." Entstanden war die Idee in Zusammenarbeit mit den Kreativen Marc Voßhall, Sarah Basten und Christiane Jung. Annamaria Benckert kümmerte sich als Kamerafrau um die Beweisvideos der Nacht-und-Nebelaktionen.
Kurz nachdem die ersten „Erpresserschreiben" der frisch gegründeten Bildbeschaffer verschickt worden waren – sogar die Kinder von Alexander Karst halfen fröhlich mit beim Kleben und Tippen – ging auch schon der erste Anruf in ihren Räumlichkeiten in der Glashüttenstraße ein. Am Apparat: der Sicherheitsdienst einer Krankenkasse. Das Schreiben war in der internen Poststelle der Krankenkasse abgefangen und sogleich an den Sicherheitsdienst weitergeleitet worden. Der stürmte sofort ins Foyer des Gebäudes, wo zufälligerweise gerade eine Fotoausstellung stattfand. Entwarnung: Alle Bilder waren noch da. Auf den Schock folgte die Erkenntnis: Es handelte sich bloß um den ersten fulminanten Auftritt der Bildbeschaffer in der Öffentlichkeit. Hier geht´s zur Website der Aktion www.wir-wissen-wo-ihre-bilder-sind.de.
„Wir wissen, wo Ihre Bilder sind – und wie wir sie Ihnen besorgen" – seit zehn Jahren arbeiten die Bildbeschaffer nach diesem Slogan. Ein Jahrzehnt, in dem viel passiert ist. Die Generation Shutterstock wurde erwachsen, die Digitalisierung hat sich mit großen Schritten für die Zukunft gerüstet und uns alle mit Smartphones ausgestattet. In weiteren Folgen unseres Magazins werden wir an dieser Stelle zurückblicken, mit langjährigen Kunden sprechen und darüber berichten, wie die heutige Welt rund ums Thema Bild zu der geworden ist, die sie heute ist.
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