Die Urheberrechtsreform – ein Update
Es ist vor allem ein Begriff, der in den Köpfen derer hängen geblieben ist, die sich in den letzten Jahren mit der Diskussion um die EU-Urheberrechtsreform beschäftigt haben: Uploadfilter. Zehntausende Menschen gingen auf die Straße und befürchteten ein Zensursystem auf Plattformen wie YouTube und damit eine zu starke Einschränkung unseres digitalen Kommunikationsverhaltens. Andere wiederum besänftigten: Uploadfilter? Nicht nötig. Ohnehin bliebe ja noch genügend Zeit, bis die Richtlinien im Juni 2021 umgesetzt werden müssen. Auch wir Bildbeschaffer haben damals ausführlich über die Urheberrechtsnovelle berichtet.
Nun rückt der Termin immer näher und das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz hat am 24. Juni einen zweiten Diskussionsentwurf zur Umsetzung der europäischen Urheberrechts-Richtlinien veröffentlicht. Darin sind unter anderem Regelungen zur urheberrechtlichen Verantwortlichkeit von Upload-Plattformen festgehalten. So heißt es in dem Entwurf, er führe mit den „Bestimmungen über die Verantwortlichkeit von Upload-Plattformen sowie den Regelungen über kollektive Lizenzen mit erweiterter Wirkung zwei neue Rechtsinstrumente in das deutsche Urheberrecht ein.“ Klingt komplizierter als es ist. Zunächst einmal weist der neue Diskussionsentwurf darauf hin, dass Plattformen wie YouTube für die hochgeladenen Inhalte künftig grundsätzlich verantwortlich sind und sich dementsprechend nur durch die Einhaltung konkret geregelter Sorgfaltspflichten von ihrer Haftung befreien können. Dazu gehört auch, dass den Plattformen bestimmte Lizenzen für die Wiedergabe urheberrechtlich geschützter Werke vorliegen müssen. Sind hochgeladene Inhalte nicht lizenziert und die Nutzung nicht erlaubt, ist die Plattform verpflichtet, die Inhalte zu entfernen, sobald eine entsprechende Information des Rechteinhabers vorliegt.
Ein Beispiel-Szenario: Ein Unternehmen lädt ein Firmenporträt auf YouTube hoch – inklusive eines Ausschnittes einer Reportage, die kürzlich im TV lief. Der TV-Sender hatte vorher schon seine Reportage bei YouTube hochgeladen und hat dafür von YouTube eine sogenannte Content-ID bekommen – also sozusagen ein Siegel: “Geschütztes Werk”. Da dieser geschützte Film jetzt auch als Ausschnitt im Unternehmensfilm gezeigt wird, wird die Content-ID von YouTube identifiziert und der gesamte Film wird erst einmal gesperrt. Derzeit muss das Unternehmen ein Lizenz-Dokument als Beleg-PDF hochladen, YouTube öffnet dann den Film. Ein manueller Vorgang, der sicher nur ein Übergang ist.
Ausgenommen von der Regelung im Entwurf des Ministeriums sind Werke, die zu Zwecken der Karikatur bzw. Parodie gezeigt werden. Deren Nutzung soll, anders als bisher, im Urheberrecht verankert werden. Auch sogenannte Bagatellnutzungen zu nicht kommerziellen Zwecken, wie es bei User Generated Content der Fall ist – also beispielsweise in der Kommentarfunktion oder in einem privaten Blog –, sind „in einem geringfügigen Umfang gegen angemessene Vergütung durch die Plattform erlaubt (§6 UrhDaG-E)“, so heißt es in dem Entwurf. Plattformen müssen ihren Nutzern zudem ermöglichen, ihre Uploads als erlaubte Nutzung zu kennzeichnen, weil etwa die Nutzungsrechte vorliegen oder es sich um eine Parodie oder ein Zitat handelt. Ein dementsprechend gekennzeichneter Beitrag darf nicht geblockt werden. Die Ausnahme: Wenn mehr als 90 Prozent des hochgeladenen Materials ein vom Rechteinhaber gemeldetes Werk sind, ist der Upload nicht erlaubt. Damit wird der Upload vollständiger Songs oder Filme, deren Rechte nicht beim Uploader liegen – Satire hin oder her – verhindert. Geschützte Inhalte dürfen immer dann nicht-kommerziell verwendet werden, wenn sie nicht mehr als 20 Sekunden Film oder Ton, 1000 Zeichen Text oder 250 Kilobyte bei Bildern oder Grafiken umfassen. Die Plattformen zahlen dafür jedoch eine pauschale Vergütung an die Inhaber der Rechte.
„Mit der Modernisierung des Urheberrechts wollen wir die Rechte der Kreativen stärken, die Rechtsinhaber fair an den Erlösen beteiligen und gleichzeitig die Kommunikations- und Meinungsfreiheit der Nutzerinnen und Nutzer im Internet wahren“, so Bundesjustizministerin Christine Lambrecht. Es gehe dabei nicht um ein Gegeneinander von Kreativen, Rechteverwertern und Nutzern, sondern um ein Miteinander. „Unser Entwurf schlägt deshalb einen fairen Ausgleich vor, von dem alle Beteiligten profitieren können. „Uploadfilter“ werden dadurch weithin überflüssig. Der Gefahr des „Overblocking“ werden wir wirksam begegnen.“ Noch bis zum 31. Juli kann zum Diskussionsentwurf Stellung bezogen werden - falls Sie also im Urlaub nichts besseres zu tun haben: rein ins Thema!
Es bleibt spannend, wie die entsprechenden Maßnahmen der Plattformen im Einzelnen aussehen werden, nachdem die Urheberrechtsreform am 7. Juni 2021 dann final in Kraft tritt. Fest steht aber schon jetzt: Eine akribische Dokumentation der Nutzungs- und Lizenzbedingungen, eine sorgfältige Rechteklärung vorab und eine gewissenhafte Pflege der Metadaten (Angabe zum Foto- bzw. Videografen, Releases, Lizenzen) werden in den kommenden Monaten entscheidender denn je sein. Das gilt natürlich auch für Archivmaterial.
Noch mal zur Erinnerung:
- Dokumentieren Sie die erworbenen Nutzungsrechte für alle angekauften Medien: Jede Datei muss „wissen", wer sie erstellt hat, wer sie lizenziert hat und mit welcher Lizenz
- Das gilt für Fotografenverträge, Bildlizenzen, Ton, Film – egal, ob direkt oder über Ihre Agentur / Gestalter
- Sorgen Sie für sauberes Digital Rights Management: Prüfen Sie Ihre DAM, Ihr CMS, Ihre Pressestelle, damit keine Medien mehr herausgegeben werden ohne den beweisbaren Hinweis: „Diese Nutzung / diese Weitergabe des Bildes ist mit dem Urheber abgestimmt".
- Beobachten Sie: IPTC, schema.org – was passiert mit der YouTube Content-ID?
Wer ausreichend digitales Rechte-Management betreibt, hat Vorsorge betrieben und kann entspannter in die Zukunft blicken. Benötigen Sie dabei Unterstützung? Wir sind Ihnen gern dabei behilflich, Informationslücken zu schließen, Ordnung ins Datenchaos zu bringen und zu prüfen, welche Bilder/Filme/Töne für welche Nutzungsarten lizenziert sind. Natürlich dokumentieren wir das alles bei Bedarf auch für Sie in den Metadaten. Sprechen Sie uns an.
Nachtrag Oktober 2020:
Hier veröffentlichte das BMJV den Referentenentwurf zur Umsetzung der EU-Urheberrechtsrichtlinien. Wir halten Sie auf dem Laufenden. Bestellen Sie unser monatliches Magazin.
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