Die Urheberrechts-Novelle
Bild speichern unter...: Nie war es so einfach, ein Werk beliebig oft zu kopieren und zu verbreiten wie im digitalen Zeitalter. Dagegen vorzugehen ist mit einem großen Aufwand verbunden. Das Ziel einer zeitgemäßen Urheberrechtsreform war deshalb von vornherein klar: ein ausgereifter Schutz geistigen Eigentums und bessere Vergütungen für die Urheber im digitalen Zeitalter. Dass damit aber Tücken verbunden sind, die selbst jene Kreativen in den vergangenen Wochen auf die Straßen trieben, die künftig verstärkt vom Urheberrecht geschützt werden sollen, zeigt: Ganz so einfach ist es nicht. In keinem Land der Welt waren die Diskussionen so hitzig wie in der Bundesrepublik. Doch worin bestehen eigentlich die Neuerungen, über die das Europäische Parlament am 26. März abgestimmt und die es mehrheitlich angenommen hat?
Das Leistungsschutzrecht
Im Artikel 11 des reformierten Urheberrechts (bzw. mittlerweile Artikel 15) wird das sogenannte Leistungsschutzrecht geregelt. Verleger sollen künftig die Möglichkeit erhalten, die Anrisse von Texten, wie man sie von der Google-Newssuche kennt, urheberrechtlich zu schützen. Ausschnitte von Pressetexten sollen in Zukunft nicht einfach von Suchmaschinen und Portalen ohne Weiteres (d.h. ohne entsprechende Lizenz) angezeigt werden können. Was aber bedeutet das für die Bilderbranche? Schauen wir uns dazu den Artikel 11 einmal genauer an. Dort heißt es an einer Stelle: „Presseveröffentlichungen enthalten hauptsächlich literarische Werke, aber zunehmend auch andere Arten von Werken und Gegenständen, insbesondere Fotografien und Videos." Neben den Teaser-Texten sind also auch die kleinen Bilder in der Google-News-Suche betroffen. Bundesweit hoffen die Verlage nun, dass Google für entsprechende Lizenzen Geld hinblättert. Blicken wir über die Ländergrenzen hinweg, sehen wir jedoch, welche Folge das Leistungsschutzrecht haben kann: In Spanien hat Google seinen Nachrichtendienst „Google News" bereits eingestellt. Keine Teaser-Texte und Bilder also mehr vorab. Die spanischen Nachrichtenseiten bekommen es mit Nutzungseinbußen von 10 bis 15 Prozent zu spüren. Ist das schon die Antwort auf die Frage, ob Google News die in der Suche bedachten Verlage ausnutzt oder es ihnen nicht in erster Linie Leser und Umsatz bringt? Die Forderung der Verlage wird auch verglichen mit dem Restaurant, das einen Taxifahrer zur Kasse bittet, weil er dieses einem Fahrgast empfohlen hat. Die Novelle sagt nun: Wer Schnipsel zeigt, um das Ganze zu bewerben, muss dafür zahlen. Wir sind gespannt, wie sich das umsetzen lässt.
Nachtrag 29.04.2019: Die Diskussion geht los: Die VG Media verlangt einen Milliarden-Betrag und Google rechnet gegen, wie viel Traffic und wie viele Werbeerlöse damit von Google zu den Verlagen geschoben wurden...
Plattformen sollen haften (Artikel 17)
Die weitreichendste Reform des Urheberrechts findet sich in Artikel 13, jetzt Artikel 17. Er besagt, dass Betreiber von Plattformen wie YouTube oder Google verstärkt in die Pflicht genommen werden sollen, um die Urheber von Werken gegenüber der Plattformen zu schützen. Ausgenommen sind Anbieter, deren Dienste seit weniger als drei Jahren zur Verfügung stehen und die weniger als zehn Millionen Euro Jahresumsatz bei weniger als fünf Millionen Nutzern machen. Alle drei Bedingungen müssen erfüllt sein, damit das Portal davon ausgenommen ist. Sollten YouTube, Facebook und Co. Urheberrechtsverletzungen künftig nicht schon vor dem Upload des Materials erkennen und das Hochladen unterbinden, sind sie also haftbar. Man pocht darauf, dass die Plattformbetreiber in Zukunft eine Bewilligung für urheberrechtlich geschütztes Material einholen. Hier bleibt ebenfalls abzuwarten, wie das in der Praxis genau aussehen wird. Für Unternehmen, die mithilfe von hier angesprochenen Kanälen bzw. Plattformen kommunizieren, heißt es jedenfalls schon mal so viel: Bereiten Sie sich darauf vor, Urheber, Copyright-Status und gekaufte Nutzungsrechte dokumentieren zu können. Checken Sie Ihre Datenbank und Workflows! Wir unterstützen Sie gern dabei.
Gifs und Memes sind ausgenommen – oder doch nicht?
Die im Internet sehr beliebten Gifs und Memes, die durchaus Auszüge von bereits bestehenden geschützten Werken enthalten können, sollen von den neuen Urheberrechtsregelungen ausgenommen sein (übrigens ebenso wie Zitate und Karikaturen), sodass eine Nutzung entsprechender Auszüge „in selbst erstellten Ausdrucksformen" zulässig ist. Etwas komplizierter wird es durch die Klausel, nach der sich die Betreiber der Plattformen selbst nicht auf diese Ausnahme berufen können. Die Nutzungserlaubnis soll sich nur auf die Inhalte beziehen, die vom User selbst generiert worden sind, nicht auf deren Uploads auf Online-Portale. Und nicht zu vergessen: Kurze Sätze wie in praktisch allen Memes sind in Deutschland genauso wenig wie Werbe-Slogans urheberrechtlich schützbar, weil sie zu kurz sind.
Gemeinfreie Werke (Artikel 14)
In Deutschland erstreckt sich der Leistungsschutz ja auf die „kleinen" Werke, die keine Kunst und deshalb nicht vom Urheberrecht geschützt sind, wie der BGH erst letzten Dezember bestätigte: ein Museum bezahlt den Fotografen für seine (nicht-künstlerischen) Reproduktionen alter Werke und darf diese Leistung schützen. Wir dürfen nicht einfach dieses Foto von der Website des Museums ziehen und für eigene Zwecke veröffentlichen.
Genau diese Regelung wird jetzt vom Artikel 14 aufgehoben und der dazu gehörige Erwägungsgrund 53 besagt ausdrücklich, dass damit der Leistungsschutz für den Museums-Fotografen wegfällt. Ein Museum, das „schlichte", aber technisch saubere Reproduktionen seiner alten Kunstwerke veröffentlicht, hat demnach auch keine Macht mehr über diese Fotos. Es muss schon eine schöpferische Leistung dahinterstecken, damit das Foto wieder ein neues Kunstwerk wird. Wir bleiben am Ball.
Viele kleine Details
Viele Artikel behandeln Themen, die wir in Deutschland schon länger kennen (§ 18: die "angemessene Vergütung" für Urheber wird benannt), gelten für Hochschulen, Lehrer (die Regelung von Data Mining und Forschung). Für Verlage ganz sicher spannend, die ihre Autoren exklusiv vertreten: Mit dem § 22 kann ein Künstler diese Exklusivität kündigen, falls er sich zum Beispiel schlecht vermarktet fühlt - und mit § 19 soll er einmal jährlich unterrichtet werden, wie es denn um die Verkäufe und Lizenzen steht.
Worauf sollte ich als Nutzer achten?
Viele Nutzer von Internet-Plattformen sind nun verunsichert, am lautesten die YouTuber: Was bedeuten die Neuregelungen? Was darf ich noch? Worauf sollte ich achten? Natürlich darf auch künftig jeder weiterhin Videos auf YouTube stellen, Bilder in Foren hochladen oder andere Plattformen mit kreativen Ideen bestücken. Problematisch wird es nur dann, wenn die Inhalte nicht selbst fotografiert, gedreht oder aufgenommen worden sind. Texte, Fotos oder Videos von Dritten benötigen eine Genehmigungspflicht, ebenso wie urheberrechtlich geschützte Musik. Das ist ja alles nichts Neues. Zwar wird das sogenannte „Provider-Privileg" – der Überbringer der Inhalte (also die Plattform) muss nicht für das Überbrachte (also die Uploads der User) einstehen – abgeschafft, doch das heißt noch lange nicht, dass die Nutzer nun willkürlich urheberrechtlich nicht geklärte Inhalte ins Netz stellen können, frei nach dem Motto „Es haftet ja ein anderer." Egal ob es zu automatisierten Uploadfiltern kommen wird, die jedes hochgeladene Material prüfen und gegebenenfalls zensieren, oder ob die Plattformbetreiber in Zukunft eine Bewilligung für urheberrechtlich geschütztes Material einholen werden, entscheidend wird für alle, die mit Bildern, Texten und Tönen zu tun haben, auch in Zukunft sein: Verschwenden Sie nicht zu viel Energie ins Lamentieren. Kennen Sie lieber Ihre Rechte.
Fazit: Machen statt meckern
Bewahren wir Ruhe. Die Herausforderung wird sein, die jüngst beschlossenen Reformen so umzusetzen, dass kreative Urheber tatsächlich profitieren und Sie auch wie bisher lizenzierte Medien hochladen können. Die Plattformen sollen künftig stärker haften, die Nutzer aber sind nicht aus dem Schneider. Wer seine Metadaten (Fotografenname, Releases, Lizenzen) pflegt, kurzum: wer ausreichend digitales Rechte-Management betreibt, hat Vorsorge betrieben und kann entspannter in die Zukunft blicken.
Perspektive: Wir bleiben am Ball
Der Europäische Rat muss diese oder nächste Woche erst noch abstimmen, ob die Reform endgültig umgesetzt werden soll. Dann müssen die EU-Staaten noch bestätigen, dass sie dabei sind. Und dann haben die Staaten zwei Jahre Zeit, um die Reform ins nationale Recht zu übersetzen. Sprich: Jetzt haben alle Stakeholder erst noch Zeit, Diskussionen und Interpretationen in den Raum zu stellen, Technik zu entwickeln oder klarzustellen, welche Technik nicht entwickelbar ist, Kompromisse zu finden und so weiter. Wir haben jetzt also erst einmal nichts Konkretes auf der Agenda. Aktuell sehen wir für viele Unternehmen und Agenturen Handlungsbedarf im Rechte-Management: Die Verbindung des Werkes zum Autor (Quellennachweis) ist Schritt 1, der nächste Schritt ist die Dokumentation der Lizenz. Informationslücken schließen, klar zu sehen, welche Bilder/Filme/Töne für welche Nutzungsarten lizenziert sind und das in den Metadaten zu dokumentieren, ist gern unser Job.
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