Der teuflische Guru
Die missbräuchliche Nutzung oder Veröffentlichung von Bildern hat schon in zahlreichen Verlagen, Unternehmen und Agenturen für Chaos, Ärger und hohe Schadenssummen gesorgt. In vielen Fällen ganz zu recht. Erst jüngst sind wir über ein Fallbeispiel gestolpert, das sich bei näherer Recherche als ein Lehrstück für ein entschiedenes „So nicht!" entpuppte und bestens als abschreckendes Beispiel in einem Journalistik-Studiengang aufgehoben wäre.
Dies ist kein Yoga-Lehrer, sondern laut Bildbeschreibung ein Bäcker. Vielleicht aber auch nur ein Model, der einen Bäcker mimt. Man weiß es nicht. Den Yoga-Lehrer und den Yellow-Press-Artikel aus dieser Geschichte möchten wir nicht zeigen. Deshalb zeigen wir jemanden, der bestimmt auch nicht als "teuflischer Guru" bezeichnet werden möchte.
Was war passiert? Eine Fotografin macht unentgeltlich Bilder für ein Yoga-Studio. Zu sehen sind nicht nur das Studio, sondern auch die Besitzerin und ihr Mann. Dafür darf die Fotografin – so der Deal – die Bilder nutzen. Vereinbart, umgesetzt. Die Fotografin verkauft also die Bilder über eine Bildagentur. Die wiederum gibt sie an eine andere Agentur weiter – Stichwort Unterlizenzierung – und dort wird das Bild von einer Zeitschrift eingekauft. So weit, so rechtens. Die Zeitschrift aber, nennen wir sie „Bunte Woche der Frau", ist bekannt für ihre reißerischen Geschichten. In einer dieser Geschichten taucht also vor einiger Zeit ein Mann auf, der in einem Yoga-Studio arbeitet. Der Abgebildete wird als Andreas B. an den Pranger gestellt: „Monika S. (38) wird in den teuflischen Bann von „Guru" Andreas B. gezogen", textet das Blatt, „er beutet sie gnadenlos aus." Bebildert wird die Geschichte mit Porträts der eingangs erwähnten Fotografin. „Durch Gymnastik- und Meditationskurse erschleicht sich Andreas B. (47) das Vertrauen junger Frauen", heißt es weiter im Text. „Die werden ihm hörig – und er nutzt das brutal aus." Der Mann, der im wirklichen Leben natürlich ganz anders heißt, findet sich in den Abbildungen zu dem Bericht wieder – und ist entsetzt. Nicht nur sein Alter, auch sein Beruf stimmt mit der Person im Artikel überein. Kunden sagen wortlos Termine ab oder sprechen ihn an: Sie haben ihn im sogenannten „Schicksalsreport" der Klatschpresse als „teuflischen Guru" erkannt, der junge Frauen als Meditationslehrer sexuell ausbeutet. Nur wer sich die Mühe macht und an den Rand der Seite schaut, aufs Klitzekleingedruckte, der findet dort den folgenden Satz: „Namen von der Redaktion geändert, Szene nachgestellt." Eine weitere Dreistigkeit, handelt es sich doch nicht um die nachgestellte Szene der erzählten Geschichte, sondern schlicht und einfach um Mood-Aufnahmen aus einem Yoga-Studio. Die Bilder sind also in einem gänzlich anderen Kontext entstanden und damit keine nachgestellten Szenen der fingierten Geschichte.
Keine Frage: Die Kombination aus Text und Bild verletzt die Privat- und Intimsphäre des abgebildeten Mannes. Und das vorsätzlich. Billigend wird hier in Kauf genommen, dass Bekannte des Mannes – vielleicht sogar Kunden des Studios – der Geschichte Glauben schenken. Ein klarer Fall einer diffamierenden Bildnutzung. Wer aber ist dafür zur Verantwortung zu ziehen? Die Fotografin? Sie hat den Porträtierten laut eigener Aussage ein Model Release unterschreiben lassen, in dem eine Weitergabe an Agenturen ebenso festgehalten war wie der Hinweis, dass die Bilder nicht zu pornografischen und diffamierenden Zwecken verwendet werden. „Ich habe das Bild an eine Agentur verkauft, die ohnehin nur Bilder annimmt, zu denen ein Model Release vorliegt", so die Fotografin. „Die Agentur wiederum hat das Bild über eine andere Agentur verkauft." An das besagte Blatt. Dort aber wurde der Passus „nicht zu diffamierenden Zwecken" entweder überlesen oder die Auslegung „diffamierend" ist bei den Verantwortlichen seeeeehr weit ausgelegt. Und überhaupt: Passus und Kleingedrucktes hin oder her – mit Hirn und Herz beim Nachdenken über die Bebilderung hätte sich der abgebildete Mann eine Menge Ärger sowie eine dreiste Verletzung seiner Intimsphäre erspart.
„Grundsätzlich ist ja ein Model Release eingeholt worden, auf dieser Seite also alles bestens", erörtert auch Sebastian Deubelli, Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, den Fall. Man müsse aber zwischen Urheber- und Persönlichkeitsrecht trennen. „Ein urheberrechtlich legal erworbenes Bild kann in einen derart negativen Kontext gesetzt werden, dass durch die Wortberichterstattung eine Persönlichkeitsverletzung entsteht." Das ist hier eindeutig der Fall. Der Vorwurf geht also an den Verlag, den Texter und die verantwortliche Person in der Bildredaktion. Und die Moral von der Geschicht'? Missachte Dein Gewissen nicht! Ob die Redaktion unter Zeitdruck stand oder nicht: Wir brauchen die Zeit, uns vor einer Bildnutzung einmal in die Lage der abgebildeten Person zu versetzen (Was würden wir fühlen, wenn wir „hier" gezeigt werden?), niemandem etwas anzudichten und Entscheidungen mit gesundem Menschenverstand zu treffen.
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