Blade Run überm Fußball

 
Tuesday, 05.09.2017

Alexander Koch ist Rechtsanwalt mit dem Interessenschwerpunkt Urheberrecht. Bis Ende 2016 war er Justiziar des Bildagenturverbandes BVPA und wechselte Anfang 2017 zur Allianz deutscher Designer eV. (AGD). Die AGD ist der größte deutsche Designerverband. Neben Grafikern, Webdesignern und Illustratoren sind dort auch Fotografen organisiert. Das Fotorecht wird somit aus der Perspektive der Bildanbieter wie auch der Bildnutzer betrachtet. Bei der Mitgliederberatung verfolgt der Verband das Anliegen, rechtliche Konflikte früh zu erledigen, um die kostenträchtige Einschaltung von Anwälten oder Gerichten zu vermeiden. Zudem beteiligt sich die AGD an Gesetzgebungsverfahren, wie vor allem bei den diversen Urheberrechtsreformen.

Also dachten wir uns: wir mixen Bildrechte mit Erlebniswelten, die für die Werbung mehr als sexy sind und wo Kreative immer wieder an die unterschiedlichsten rechtlichen Grenzen stoßen. Die vielen Facetten dieses Themas können wir in einem einzigen Interview nicht in Gänze abbilden. Deshalb starten wir jetzt mit einer losen Folge von Gesprächen und beginnen mit Alexander Koch.

Herr Koch, muss man Jura studiert haben, um heutzutage als Fotograf oder Werber mit Großveranstaltungen wie der WM oder Olympia zu tun zu haben?

Nein, natürlich nicht. Die Drittrechteklärung fordert selbst Volljuristen heraus, diesich im Fotorecht nicht bewandert sind. Dagegen kenne ich einige Fotografen oder Bilda­genturmitarbeiter, die sich die Rechteklärung in der Praxis hart erarbeitet haben.

Der Grat zwischen erlaubter und unerlaubter Nutzung von Sporter­eig­nissen ist schmal. Die FIFA hat beispielsweise den Markt rund um die WM fest im Griff.

Schmaler Grat ist deutlich untertrieben; der Begriff „Blade Run" wäre passender. International etablierte Großereignisse wie die Fußballweltmeisterschaft oder die Olympiade ziehen eine immense Aufmerksamkeit auf sich. Das weckt das In­te­resse der Sponsoren, und die Veranstalter versuchen ein unentgeltliches Aus­beu­ten der Veranstaltung zu Werbezwecken zu verhindern.

Was könnte auf einem Bild von einer sportlichen Veranstaltung zu sehen sein, damit es erfolgreich weggeklagt wird?

Die Klärung fremder Rechte – insbesondere bei der Abbildung von Gegenständen – ist in den letzten fünf Jahren so anspruchsvoll geworden, dass man sich schon fragen muss, warum es nicht noch mehr Rechtsstreitigkeiten in diesem Bereich gibt. Ich versuche es mal mit einem „Cocktail des Grauens": die Abbildung zweier Fußballer – mit einem Ausschnitt weniger Zuschauer im Hintergrund; das Mas­kott­chen der Veranstaltung; eine aufwendige Lichtinstallation oder De­signer­leuchten im Hintergrund.

Können Sie ein konkretes Beispiel nennen, bei dem in der Vergangenheit eine Spielregel verletzt worden ist und erfolgreich geklagt wurde?

Höchstrichterliche Entscheidungen – beispielsweise Bundesgerichtshofsurteile – sind nicht geläufig. Das dürfte sich daraus erklären, dass Werbende das hohe Pro­zessrisiko scheuen und die Veranstalter auf eine Rechtsprechung aus ähnlichen Bereichen zurückgreifen können. Gerade in den letzten sechs Jahren hat der BGH mit der ICE-III-Entscheidung und mit den Geburtstagszugs-Entscheidungen die an das Abfotografieren von Gegenständen gestellten Anforderungen immens gestei­gert. In der ICE-III-Entscheidung hat das Gericht selbst das Abfotografieren als Gebrauch eines eingetragenen Designs (vormals Geschmacksmuster) eingestuft. Mit den Geburts­tags­zugs-Entscheidungen hat der Gerichtshof die Schöpfungshöhe für Werke der an­gewandten Kunst erheblich reduziert, womit sogar das weitaus schärfere Urheberrecht zu berücksichtigen ist. Das führt zu der Konsequenz, dass bei jedem über den eigentlichen Gebrauchszweck hinaus gestalteten Gegenstand Vorsicht geboten ist. Um es klarzustellen: Wasser­fla­schen, Chipstüten, Bierdosen, Mobiltelefone etc. wären gesondert zu prüfen, was natürlich unzumutbar ist. Die Veranstalter dürften zudem aus dem zeit­wei­ligen Hausrecht der Spielstätten ein Schutzrecht herleiten. Die im Rechts­streit Stiftung Preußische Schlösser und Gär­ten ergan­ge­nen Entscheidungen sind alles andere als eindeutig, aber bestä­ti­gen die Möglich­keiten der Im­mobi­lien­in­haber, Foto­gra­fierverbote aus­spre­chen zu kön­nen.

Darf denn ein offizieller Fanartikel fotografiert und veröffentlicht werden?

Das kommt auf den konkreten Artikel an. Eine Besonderheit ist bei den Olympi­schen Spielen zu beachten. Mit der Porsche-Felgen-Entscheidung hat der BGH den Grundsatz aufgestellt, dass das Abfotografieren von Marken grundsätzlich nicht als markenmäßige Verwendung nach dem Markengesetz zu bewerten ist. Rechts­schutz aus parallelen Bereichen – insbesondere die unlautere Anlehnung an die Pro­dukte eines Mitbewerbers – sind gesondert zu prüfen. Weil olympische Em­bleme dem Olympiaschutzgesetz unterstehen, würde ich das vorgenannte Urteil zum Abfotografieren von Marken nicht unkritisch übertragen. Ich gehe davon aus, dass das Abfotografieren als ein „Verwenden" zu werten ist. Das Ab­fo­tografieren offi­ziel­ler Fanartikel kann in einzelnen Fällen zu Problemen füh­ren.

Stimmt es, dass auch die offiziellen Stadien nicht abgelichtet werden dürfen?

Von innen ja, von außen jein. Bei Innenaufnahmen wird mit großer Wahr­schein­lichkeit das Fotografierverbot des Hausrechtsinhabers Anwendung finden, sodass bei diesem eine Genehmigung einzuholen wäre. Die von der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten betriebenen Klageverfahren führten im ersten Schritt zur Übertragung des seit Jahrzehnten den Grund­eigen­tümern zugeschriebene Foto­gra­fierverbots auf öffentliche Stiftungsgrundstücke. Gerne über­sehen: In seiner zweiten Entscheidung hat der BGH die Rechte aus dem Hausrecht erheblich reduziert. Ist nämlich ein Grundstück frei zugänglich, muss der Anspruchsteller nachweisen, dass er nicht nur das Hausrecht, sondern auch das Eigentum an dem Grundstück hält. Weil man Sport­groß­er­eignisse in der Regel nur mit Eintrittskarten betreten kann, sollte das zeitweilig eingeräumte Hausrecht genügen. Bei Abbildungen von außen kommt die Panoramafreiheit in Betracht. Fotografen müssen sich bei dem Shooting vergewissern, dass sie ihre Fotos von öffentlichem Grund aufnehmen. Zäune oder sonstige Absperrungen können leicht in die Irre führen, weil einige repräsentative Bauten recht große, aber zum Privatgrund gehörende Vorplätze enthalten. Was auch vergessen wird, ist das für solche Werke geltende Änderungsverbot. Schon eine stärkere Bildbearbeitung kann die Aus­nahme der Panoramafreiheit leicht entfallen lassen.

Klingt nach vielen No-Gos. Welcher kreativen Mittel kann ich mich als Fotograf oder Designer denn überhaupt bedienen, wenn ich kein offizieller Sponsor bin und trotzdem mit der WM werben will?

Sich nicht erwischen lassen. Spaß beiseite: Bei der Drittrechteklärung ist immer der Klärungsaufwand mit den finanziellen Folgen einer rechtlichen Inanspruch­nah­me abzuwägen. Bei der Berichterstattung gehen Verlage eher ein Risiko ein, weil die Bilder nach wenigen Tagen wieder gelöscht werden können oder die Print-Ausgaben durch die nächste Ausgabe abgelöst werden. Zudem können die Verlage sich leichter auf den Grundsatz der Pressefreiheit berufen, der zum Beispiel in der Ausnahmevorschrift der Berichterstattung über Tagesereignisse konkretisiert ist. Bei werblichen Verwendungen dagegen können Bilder, die beispielsweise auf Plakaten, in Broschüren oder Büchern zu sehen sind, nicht so einfach entfernt werden, was eine sorgfältige Rechteklärung erfordert.

Also immer schön eine Genehmigung einholen. Wer ist da der richtige Ansprech­part­ner?

Bei der Abbildung von Sportlern würde ich mich zunächst an den Spieler bzw. sein Management wenden. Dazwischen mag vielleicht ein Club oder Sportverein zu berücksichtigen sein. Weil Sportler oder Club möglicherweise Schutzrechte an den Veranstalter abgetreten haben, wird dieser der nächste Ansprechpartner sein. Bei abgebildeten Produkten würde ich mich zunächst an den Hersteller wenden. Im nächsten Schritt ist zu klären, ob dieser dem Veranstalter Rechte eingeräumt hat.

Wer also im Rahmen der WM unerlaubt Bilder zeigt, riskiert damit also weniger, dass ihm das Motiv wegen der Bildrechte, sondern die Werbung wegen der Markenrechte abgeschossen wird?

Die Frage eignet sich bestens für ein Fazit. Die Bildproduktion und die Bildverwendung unterliegen unterschiedlichen Kriterien. Fotografen oder Bildagenturen müssen bei der Abbildung eines „markenlosen Fußballs" nur beim Deutschen Patent- und Mar­ken­amt recherchieren, ob für diesen noch ein Designschutz besteht. Sie können aber nicht klären, in welchem Kontext der Kunde das Bild verwendet und ob dieser möglicherweise hierdurch den Ruf des Sportereignisses ausbeutet. Im Rahmen der AGD-Rechtsberatungen rate ich den Mitgliedern davon ab, ihren Kunden eine derartige Rechtsberatung zu erteilen, weil eine Falschauskunft zu erheblichen Schäden führen kann.

Herr Koch, wir danken für dieses Gespräch!

Alexander Koch, Rechtsanwalt mit der Spezialisierung Urheberrecht und Justiziar der Allianz deutscher Designer eV. (AGD – koch@agd.de)


Veröffentlicht am Tuesday, 05.09.2017 18:09
Kategorien: Thema des Monats Bildrechte Fußball Drittrechte FIFA WM

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